(*1927 in Reichsmanndorf, Kreis Saalfeld)
1927 geboren, wächst Jochen Bock in wohlhabenden Verhältnissen auf. Sein Vater leitet eine Porzellanfirma in Uhlstädt. Wie fast alle seiner Altersgenossen ist Bock Mitglied in der Hitlerjugend, kurzzeitig sogar Oberrottenführer. Der Tod seines Bruders Horst Bock im Winter 1942/43 an der Ostfront markiert einen bedeutenden Einschnitt in seinem Leben. Er beginnt heimlich deutschsprachige Sendungen von Radio Moskau zu hören und erfährt so auch vom Nationalkomitee „Freies Deutschland“ (NKFD), das zum Aufstand gegen Hitler aufruft. Bock entschließt sich, eine Widerstandsgruppe zu gründen. Unter seinen Mitschülern gewinnt er weitere Mitglieder. Gemeinsam mit seinem Freund Joachim Nerke schreibt Bock Antikriegsparolen an Schutzhütten im Steigerwald. Außerdem verbreitet er die Ideen des NKFD nicht nur an der Handelsschule in der Talstraße, sondern auch in seinem Heimatort Uhlstädt. Bock fertigt Notizen der ausländischen Radiosendungen an und formuliert daraus das Flugblatt der Widerstandsgruppe.
Von verschiedenen Seiten verraten, wird Bock am 14. September 1943 festgenommen. Das Oberlandesgericht Kassel tagt in Erfurt und verurteilt Bock wegen der „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ und „Rundfunkverbrechens“ (weil er „Feindsender“ abgehört und deren Nachrichten verbreitet hat). Da Bock für die Gestapo als Rädelsführer gilt, bekommt er die längste Haftstraße mit einem Mindestmaß von zwei Jahren. Zudem ist er verschärften Haftbedingungen ausgesetzt. Nach der Untersuchungshaft im Gefängnis an der Andreasstraße, verbüßt er den Rest seiner Strafe im Jugendgefängnis Hoheneck.
Erst nach Kriegsende kommt Bock frei und kehrt zurück zu seinen Eltern nach Uhlstädt. Im Alter von nur 20 Jahren stirbt Jochen Bock im November 1947 an Lungen- und Kehlkopftuberkulose, vermutlich Folgen der schlechten Haftbedingungen.
(*1927 in Großbreitenbach, Kreis Arnstadt)
Karl Metzner wächst in einer sozialdemokratisch geprägten Familie auf. Seit 1937 gehört er dem Jungvolk und anschließend der Hitlerjugend an. Im Sommerurlaub bei seinem Onkel hört Metzner den Schweizer Radiosender „Beromünster“, was ihn in seiner politischen Haltung sehr beeinflusst. Die Flugblätter der Widerstandsgruppe, die gegen den Krieg und gegen das NS-Regime protestierten, schreibt Metzner auf seiner Schreibmaschine. Das Oberlandesgericht Kassel stuft Metzner als sogenannten „Mitläufer“ ein, sodass er wie Emmerich und Bergmann wegen „Beihilfe an der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ verurteilt wird. Seine Haftstrafe von acht Monaten und zwei Wochen hat er durch die Untersuchungshaft im Gefängnis an der Andreasstraße bereits verbüßt, sodass man ihn nach der Urteilsfindung freilässt.
1944 wird Metzner zunächst zum Arbeitsdienst, dann in die Wehrmacht eingezogen und gerät für dreieinhalb Jahre in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Heimkehr 1948 studiert er Theologie an der Predigerschule in Wittenberg und arbeitet ab 1952 als Pfarrer in Brandenburg. 1975 kehrt Metzner zurück nach Erfurt. In dieser Zeit engagiert er sich weiterhin für den Frieden und übt deutliche Kritik an der SED-Diktatur. Von der Stasi wird Metzner jahrelang beobachtet. Mit erpresserischen Methoden versucht die Stasi, ihn zur Mitarbeit zu zwingen. Metzner geht zum Schein darauf ein, liefert jedoch keine Informationen. Nach einigen Jahren stellt die Stasi ihr Werben um Spitzeldienste bei ihm ein. Metzner gehört später zu den Mitbegründern der unabhängigen Friedensbewegung in der DDR und ist 1989 ein Akteur der Friedlichen Revolution in Erfurt. Heute ist Karl Metzner der letzte Überlebende der Widerstandsgruppe.
(*1928 in Erfurt)
Joachim Nerke wächst in einem regimetreuen Elternhaus auf. Ab 1938 gehört er dem Jungvolk und später der Hitlerjugend an. Er wird HJ-Führer auf der Bannhauptstelle für Sport. Im Sommer 1943 lässt sein Engagement in der Hitlerjugend jedoch stark nach. Gemeinsam mit seinem Freund Jochen Bock schreibt Nerke Parolen gegen Hitler und für ein Ende des Krieges an Schutzhütten im Steigerwald. An der Flugblattaktion ist er ebenfalls beteiligt. Nerke soll aber auch zu denjenigen Schülern gehören, die die Widerstandsgruppe letztlich verraten. Trotzdem wird er am 15. September 1943 festgenommen und als „Mittäter“ zu einem Jahr und sechs Monaten Jugendgefängnis verurteilt.
Die neunmonatige Untersuchungshaft im Gefängnis an der Andreasstraße wird Nerke angerechnet. Den Rest seiner Strafe verbüßt er im Gefängnis in Bautzen.
Nach seiner Haft kann Nerke der Einberufung zur Wehrmacht entgehen. Später wird er Verwaltungsangestellter und Mitglied der FDJ. Wegen Schwarzmarktgeschäften wird er zu einer Geld- und Gefängnisstrafe verurteilt. Nerke wandert nach Südamerika aus und entgeht so der Haftstrafe. In Brasilien verliert sich seine Spur.
(*1928 in Hermeskeil, Kreis Trier)
Helmut Emmerich wird 1928 geboren und wächst in einem katholisch geprägten Elternhaus auf. Sein Vater ist zudem gewerkschaftlich organisiert und verliert seine Anstellung bei der Eisenbahn, da er als „national unzuverlässig“ gilt. Gemeinsam mit seiner Familie zieht Helmut Emmerich im Jahr 1934 nach Erfurt. Er besucht die Volksschule und ist Mitglied in der Hitlerjugend. Ab 1942 geht Emmerich auf die Städtische Handelsschule in die Klasse H1a. Laut den Prozessakten überzeugen Jochen Bock und Joachim Nerke den zunächst unentschlossenen Emmerich, Teil der Widerstandsgruppe zu werden. Er nimmt an Treffen der Gruppe teil und diskutiert mit den anderen die oppositionellen Ideen des Nationalkomitees „Freies Deutschland“. An der Flugblattaktion ist Emmerich ebenfalls beteiligt. Am 2. Juni 1944 wird er als sogenannter „Mitläufer“ zu sechs Monaten Jugendgefängnis verurteilt. Aufgrund der Dauer der Untersuchungshaft von knapp neun Monaten wird er direkt nach dem Urteilsspruch aus dem Gefängnis an der Andreasstraße entlassen.
Nach seiner Haft findet Emmerich eine Lehrstelle in einem Kältetechnik-Unternehmen in Erfurt. Im November 1944 wird er zur Wehrmacht eingezogen und gerät in Sachsen in sowjetische Gefangenschaft, von dort kann er nach Erfurt entkommen. Ab 1946 ist Emmerich Mitglied der CDU. Gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Söhnen flieht er 1954 in den Westen. In Nürnberg gründet Emmerich 1962 ein Unternehmen für Kühlmöbel und wird später Mitglied der CSU. Nach dem Mauerfall eröffnet Emmerich auch eine Filiale in Erfurt und organisiert dort Ausbildungsplätze für Jugendliche. 2014 stirbt Helmut Emmerich in Fürth.
(*1928 in Großrudestedt)
Gerd Bergmann ist der älteste von zwei Söhnen eines Textilkaufmannes. Ab 1938 gehört er dem Jungvolk, später der Hitlerjugend an. Bergmann besucht seit Ostern 1942 die Handelsschule in Erfurt. In der Anklageschrift wird er als „ruhig und zurückhaltend“ charakterisiert. Als Bock ihn überzeugen will, sich an der Widerstandsgruppe zu beteiligen, hat Bergmann Zweifel. Laut der Prozessakten kommt es zu einem Streit, in dem er mit einer Anzeige bei der Gestapo droht. Letztlich wird Bergmann aber selbst Teil der Widerstandsgruppe um Bock. Er soll Flugblätter abgeschrieben und um neue Mitglieder geworben haben. Am 16. September 1943 wird Bergmann von der Gestapo festgenommen. Das Oberlandesgericht Kassel sieht ihn als sogenannten „Mitläufer“ in der Widerstandsgruppe, sodass er wie Emmerich zu sechs Monaten Jugendgefängnis verurteilt wird. Aufgrund der langen Untersuchungshaft im Gefängnis an der Andreasstraße, die man ihm anrechnet, kommt Bergmann am Tag der Urteilsverkündung frei.
Nach einem kurzen Arbeitsdienst wird Bergmann zur Wehrmacht eingezogen und gerät in amerikanische Kriegsgefangenschaft. 1945 wird er Mitglied der KPD, später dann der SED. Als promovierter Jurist ist Bergmann Vorsitzender des Kollegiums der Rechtsanwälte im Bezirk Erfurt. Er verfasst bereits 1947 den unveröffentlichten Roman „Freiheitskämpfer“, der sich mit dem Wirken der Widerstandsgruppe befasst. Gerd Bergmann stirbt 2011.
(*1897 in Landsberg an der Warthe)
Albrecht Schulz wird in Köln zum Diplom-Kaufmann und dann in Berlin zum Diplom-Handelslehrer ausgebildet. Ab 1935 ist er an der Handelsschule in der Talstraße tätig. Als Handelsoberlehrer ist Schulz auch Mitglied der NSDAP. In einer Beurteilung des Direktors von 1937 wird ihm eine einwandfreie fachliche Kompetenz sowie ein „Charakter von großer Gutmütigkeit“ zugeschrieben. Als einige seiner Schüler von der Gestapo verhaftet werden, setzt Schulz sich für sie ein. In einem Gutachten, welches er für den Prozess anfertigen muss, bescheinigt er allen ein einwandfreies Benehmen. Auch nachdem Gerhard Laue als Mitwisser der Widerstandsgruppe von der Handelsschule verwiesen wird, bietet Schulz ihm seine Hilfe an. Schulz unterrichtet Laue weiterhin privat, sodass dieser doch noch seinen Abschluss machen kann. Nach Kriegsende wird Schulz zunächst aus dem Schuldienst entlassen. Später ist er erneut an einer Kaufmännischen Berufsschule in Mühlhausen tätig. Dort verstirbt Albrecht Schulz 1981.