Am 12. September 2023 wurde feierlich eine Gedenktafel für die Widerstandsgruppe um Jochen Bock an der ehemaligen Handelsschule (heute: Ludwig-Erhard-Schule) in der Erfurter Talstraße enthüllt.
Nach der Begrüßung durch die stellvertretende Schulleiterin Kathrin Daut und einem Grußwort des Vertreters der Stadt Erfurt Lutz Gruber hielt Gerhard Laue, der ehemalige Klassenkamerad und Banknachbar Karl Metzners, eine bewegende Rede. Er erinnerte an seine inzwischen verstorbenen Freunde und würdigte ihr antifaschistisches Engagement. Danach äußerten Schüler*innen der Ludwig-Erhard-Schule und Thomas-Mann-Schule ihre Gedanken zu der Widerstandsgruppe um Jochen Bock und dem anwesenden Gerhard Laue.
Nach einem symbolischen Flugblattwurf aus dem obersten Stock des Schulgebäudes und zur Live-Musik der Erfurter Sängerin Rona Stoica wurde die Gedenktafel schließlich feierlich enthüllt. Die Herstellung der Gedenktafel wurde gefördert durch die Thüringer Staatskanzlei und unterstützt durch die Stiftung Ettersberg / Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße sowie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BDA) und die Stadt Erfurt.
Der Leiter der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße Jochen Voit bei seiner Rede mit Angehörigen der Widerständler und dem Zeitzeugen Gerhard Laue
Um an die Flugblattaktion der Widerstandsgruppe zu erinnern, wurden Blätter aus dem ersten Stockwerk der Schule geworfen.
Enthüllung der Gedenktafel am Haupteingang der Ludwig-Erhard-Schule
Teilnehmende der Gedenkveranstaltung vor der frisch enthüllten Tafel mit dem Comic-Motiv des Zeichners Hamed Eshrat
Jochen Voit und der Initiator der Gedenktafel Gerhard Laue im Gespräch vor der Schule
Die Gedenktafel der Widerstandsgruppe um Jochen Bock an der Fassade der Ludwig-Erhard-Schule in Erfurt (Motiv aus der Graphic Novel: Hamed Eshrat, Metallgestaltung: Reik Weller)
Seit Dezember 2017 gibt es in der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße den neuen Ausstellungsbereich GEFANGEN UNTER HITLER: POLITISCHE HÄFTLINGE IM ERFURTER GEFÄNGNIS 1933-1945. Damit erschließt die „Andreasstraße“ einen bislang wenig beachteten Teil der eigenen Hausgeschichte. Das Gebäude war von 1878 bis 2002 Gefängnis und durchlebte somit fünf verschiedene politische Systeme. Im Mittelpunkt der Gedenkstättenarbeit steht die DDR-Zeit – das neue Ausstellungsmodul lenkt nun den Blick auf historische Brüche und Kontinuitäten.
Im Nationalsozialismus war der Klinkerbau in der Andreasstraße, wie die meisten Gefängnisse im „Dritten Reich“, auch ein Ort der Unterdrückung. Wer eine abweichende politische Meinung vertrat, wer als „fremdvölkisch“ oder homosexuell galt, konnte hier inhaftiert werden. Allein im Erfurter Gefängnis landeten Hunderte Frauen und Männer, nur weil sie dem Weltbild der Nazis nicht entsprachen. An einige von ihnen erinnert die Gedenkstätte in ihrem neuen Ausstellungsbereich. Ebenso porträtiert sind neben Häftlingen auch Wachleute und Justizangestellte. Auf dem Fußboden zeigt ein Stadtplan ausgewählte Erfurter Unterdrückungsorte, darunter auch das Gelände der Firma J. A. Topf & Söhne, wo Ingenieure Verbrennungstechnik für Konzentrationslager entwickelten.
Die Widerstandsgruppe um Jochen Bock war in eben jenem Gefängnis inhaftiert. Die Entwicklung von begeisterten Hitlerjungen zu kritisch denkenden jungen Männern veranschaulichen Exponate in der Ausstellung: Ein HJ-Fahrtenmesser steht etwa für die Geschichte Karl Metzners, der sich bei seiner „Pimpfenprobe“ weigerte, das Horst-Wessel-Lied aufzusagen und deswegen zunächst kein Messer erhielt. Auch Metzners Original-Bettkarte aus der Gefängniszelle ist zu sehen, darauf steht der Haftgrund „Hochverrätische Umtriebe“.
Authentische Gegenstände und persönliche Erinnerungen – es ist diese Mischung, die der Ausstellung Lebendigkeit und erzählerische Tiefe verleiht. Auf einer Medienstation laufen filmische Miniaturen, die aus dem 25-minütigen Film NIEDER MIT HITLER hervorgegangen sind. Hier berichtet Karl Metzner vom Haftalltag, sein ehemaliger Klassenkamerad Gerhard Laue erklärt die Begriffe „Feindsender“ und „Rundfunkverbrechen“. Passend zur modernen Ausstellungsgrafik illustrieren schlichte Spielszenen, die im Graphic Novel-Stil verfremdet sind, die Erzählungen der Zeitzeugen.
Die Kuratoren der Ausstellung Dr. Jochen Voit und Stefan Hellmuth freuten sich bei der Eröffnung am 3. Dezember besonders darüber, neben den Gestaltern von KOCMOC.NET und JOACHIM KÖHLER MEDIADESIGN auch die beiden Zeitzeugen Karl Metzner und Gerhard Laue in der Andreasstraße begrüßen zu dürfen.
Fotos: Claus Bach
Text: Dr. Jochen Voit, Noemi Burgenmeister